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Zum Zusammenspiel zwischen Unternehmen und Verbrauchern in der Datenökonomie – Teil 1

Einführung

Durch die immer stärkere Durchdringung von Wirtschaft und Gesellschaft mit digitalen Technologien werden in bislang ungekanntem Maß Daten (teil-) automatisch erhoben, gespeichert und verarbeitet. Exemplarisch sind Technologien wie künstliche Intelligenz, Web-Tracking oder Blockchain zu nennen. Der Zugang zu großen Datenbeständen kann wiederum das Entscheidungsverhalten von Unternehmen und Verbrauchern verändern, mitunter sogar auch über die Grenzen von physischer und digitaler Welt hinweg. Heutzutage ist es einfacher möglich, Daten aus unterschiedlichen Quellen miteinander zu verknüpfen und auszuwerten. Ebenso stehen leistungsfähige, IT-gestützte Verfahren zur Auswertung dieser Daten zur Verfügung, die darauf aufbauend Prognosen zukünftiger Entwicklungen ableiten können.

In einer derartigen „Datenökonomie“ entstehen zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen, wie etwa bessere Einblicke in das Konsumentenverhalten oder die Identifikation von Interessen und Verhaltensmustern. Verfügt ein Anbieter über mehr Informationen über (potentielle) Kunden, so kann er generell ein zielgruppengerechteres Angebot erstellen und komplementäre Güter anbieten. Auch ist die Nutzung von Kundendaten teils essentiell für das Erbringen bestimmter datengetriebener Dienstleistungen und kritisch für die Innovationstätigkeit zahlreicher Unternehmen, insbesondere für Startups. So erproben Unternehmen aktuell Erlösmodelle, die auf der verstärkten Verwertung „personenbezogener Daten“ beruhen. Ebenfalls bieten Daten auch direktes Monetarisierungspotenzial; sie werden zu einem ökonomisch handelbaren Gut, welches durch spezialisierte Anbieter auf sogenannten Datenmärkten angeboten wird.

Auch für Konsumenten hat diese Entwicklung durchaus Vorteile, wie etwa eine bessere Anpassung von Dienstleistungen anhand von deren Präferenzen sowie schnellere und zielgerichtetere Suchmöglichkeiten. Ebenso haben Konsumenten verstärkt die Möglichkeit, personenbezogene Daten als eine Art Zahlungsmittel einzusetzen, um hierdurch bspw. Apps kostenfrei nutzen zu können. Im ersten Schritt ist hierfür jedoch die Preisgabe von Daten durch den Konsumenten erforderlich und diese wird im Kontext der zunehmenden Digitalisierung häufig kritisch diskutiert. Auch hier ist das Zusammenspiel von Anbieter und Nachfrager eine geeignete Sichtweise zur Illustration des Basiskontexts. Ein (potentieller) Kunde wird generell abwägen, ob er der Verwendung von Daten zustimmt. Die Preisgabe von Daten wird vom Konsumenten häufig per se zunächst als tendenziell risikoreich eingeschätzt. Demgegenüber muss ein positiver Nutzen stehen, der die möglichen Risiken aufwiegt. Das Individuum berücksichtigt bei dieser Entscheidung ein ökonomisches Kalkül, am Ende dessen die Entscheidung für oder gegen die Nutzung eines Dienstes steht. Je mehr Daten ein Anbieter erfragt, umso höher muss der daraus resultierende Nutzen für den Konsumenten sein, um diesen zur Preisgabe seiner Daten zu bewegen. „Pokert“ ein Anbieter zu hoch und verlangt sehr viele Daten, kann dies zwar durchaus legal sein, aber möglicherweise den Konsumenten von der Nutzung des Dienstes abhalten.

Im Rahmen dieser grundlegenden Austauschbeziehung stellen sich zentrale ökonomische Fragen der Gestaltung und Regulierung in der digitalisierten Welt, welche jeweils im Hinblick auf aktuelle technologische Entwicklungen zu betrachten sind. So hat etwa die zuvor genannte zentrale Abwägung einer Datenpreisgabe in sozialen Netzwerken heutzutage oftmals nicht nur Auswirkungen auf den Teilenden, sondern auch auf andere Personen, etwa wenn diese auf geteilten Bildern ebenfalls zu erkennen sind. Folglich gestaltet sich diese zentrale Entscheidungssituation für Individuen zunehmend komplexer und erfordert einen gewissen kognitiven Aufwand – nicht selten entscheiden hier nicht ausschließlich rationale Faktoren. Gleichzeitig versuchen Anbieter oftmals mittels sogenannter Nudging-Techniken Verbraucher zur Preisgabe von personenbezogenen Daten zu bewegen, was gerade im Kontext von sehr sensitiven – und somit für den Anbieter häufig auch besonders wertvollen – Daten (etwa Gesundheitsdaten) oftmals schwierig ist.

Die personenbezogenen Daten haben somit sowohl für die Konsumenten als auch für die anfragenden Unternehmen einen Wert und einen damit verbundenen Preis. Es zeigt sich somit ein facettenreiches Bild hinsichtlich der zugrundeliegenden Austauschbeziehung zwischen Unternehmen und Konsumenten. Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, anhand einzelner exemplarischer Kontexte, das ökonomische Verständnis von Privatheit als Wechselspiel zwischen Anbieter und Nachfrager aufzuzeigen und insbesondere mittels aktueller Erkenntnisse zu erweitern. Der Beitrag ist wie folgt strukturiert: In Abschn. 2 präsentieren wir ein wirtschaftswissenschaftliches Verständnis von Privatheit und stellen die vier relevantesten Forschungsstränge aus Sicht von Unternehmen dar. In Abschn. 3 beschreiben wir zwei unserer Untersuchungen, die sich aus der originären Sicht von Unternehmen mit der Nutzung personenbezogener Daten beschäftigen. Abschn. 4 widmet sich drei von uns durchgeführten Studien, die sich dem Thema aus Sicht der Konsumenten nähern. Wir schließen den Beitrag mit einer Zusammenfassung und dem Ausblick in Abschn. 5 ab.

Privatheit aus der Sicht der Wirtschaftswissenschaften

2.1 Grundlegendes Verständnis von Privatheit

Das Konzept der Privatheit wird von unterschiedlichen Disziplinen behandelt, was zu einer Vielzahl von verschiedenen Konzeptualisierungen und Definitionen des Begriffs führt. In Morlok et al. beschreiben wir den zeitlichen Wandel und die disziplinspezifischen Unterschiede des Privatheitskonzepts. Charakteristisch für die Privatheitsforschung ist das hohe Maß an unterschiedlichen Zugängen zum Thema. Anfänglich wurde Privatheit explizit als physische Privatheit verstanden. Diese physische Privatheit bezieht sich auf den körperlichen Zugang zu einem Individuum und dessen räumlicher Umgebung. Im juristischen Kontext wird Privatheit, resultierend aus der physischen Privatheit, definiert als das „Recht, alleine gelassen zu werden“. Weiterhin wird die Privatheit in der Philosophie und der Psychologie beschrieben als der „Zustand des begrenzten Zugangs oder der Isolation“. Dagegen wird die Privatheit in den Sozialwissenschaften als ein soziales Problem oder als ein Verhaltenskonzept begriffen.

Im Kontext des vorliegenden Beitrags steht das Konzept der informationellen Privatheit im Fokus, welches den Zugang zu Informationen, die explizit einer Person zuordenbar sind, beschreibt. Im Zentrum der allgemeinen ökonomischen Definition des Begriffs Privatheit steht die Definition von Privatheit als Kontrolle und als Fähigkeit zur Kontrolle. Angewandt auf informationelle Privatheit umfasst dies die Kontrolle über die Preisgabe und die Verwendung von Informationen. Die Wirtschaftswissenschaften adressieren dabei häufig Fragen der Verwendung von personenbezogen Daten durch Unternehmen. Unter dem Begriff personenbezogen fallen nicht nur explizit preisgegebene Daten, sondern auch unbewusst geteilte Daten, etwa über das Nutzungsverhalten im Internet.

Nach Morlok et al. ist es ebenfalls wichtig, beim Umgang mit dem Thema Privatheit auf die unterschiedlichen Akteure und Betrachtungsebenen einzugehen. Wesentliche Akteure sind Unternehmen und Konsumenten und deren Wechselspiel. Auf diese Akteure konzentrieren wir uns nachfolgend. Bei den Unternehmen ist neben der Betrachtung des Unternehmens als Ganzes auch die Betrachtung der in einem Unternehmen agierenden Individuen (Mitarbeiter, Manager) möglich. Konsumenten betrachten wir – etwas vereinfachend – auf Individualebene.

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ebenfalls wichtig sind die Rahmenbedingungen des Zusammenwirkens von Unternehmen und Verbrauchern, sei es in konkreten Marktkonstellationen oder durch Regulationen vorgegeben. Dieses sehr umfassende Themenfeld klammern wir nachfolgend aus.

2.2 Relevante Forschungsstränge

In Morlok et al. geben wir einen Überblick über die wesentlichen Forschungsstränge der Literatur im Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Bezüglich des Zusammenspiels von Unternehmen und Verbrauchern findet sich eine beachtliche Zahl von Studien zu den Themen Personalisierung und Preisdifferenzierung.

Unternehmen können ihre Angebote personalisieren, indem sie auf Basis der gesammelten Konsumentendaten die Verhaltensweisen und Präferenzen ihrer Kunden verstehen und sich dementsprechend ausrichten. Forschung über die personalisierte Ansprache durch die Verwendung von personenbezogenen Daten beschäftigt sich mit einer Vielzahl von Themengebieten. Kern der Forschung in diesem Bereich ist, dass Unternehmen möglichst viele personenbezogene Daten auswerten möchten, um ihre Kunden bestmöglich ansprechen zu können. Auf der einen Seite schätzen Kunden die Vorteile der Personalisierung, auf der anderen Seite haben sie häufig Privatheitsbedenken, wenn Angebote durch die Analyse ihrer personenbezogenen Daten entstehen. Dieses Phänomen wird als „Personalization Privacy Paradox“ bezeichnet. Forschung in Bezug auf die individualisierte Kundenansprache fokussiert sich darauf, unter welchen Bedingungen und zu welchem Grad Unternehmen Systeme zur Personalisierung einsetzen können, ohne dass Konsumenten sich durch die Personalisierung bedroht fühlen. Beispielsweise untersuchen Karwatzki et al., wie digitale Services gestaltet werden sollten, um den Kunden trotz Privatheitsbedenken zum Teilen von personenbezogenen Daten zu bewegen.

Auch zur Preisdifferenzierung finden sich eine Reihe interessanter Studien. Unternehmen können die gesammelten Daten verwenden, um die Zahlungsbereitschaft ihrer Konsumenten präziser als bisher zu bestimmen. Die Vorhersage der Zahlungsbereitschaft von Kunden ermöglicht den Unternehmen die Preisdiskriminierung zumindest bestimmter Kundengruppen, im Einzelfall sogar einzelner Kunden. Im Gegensatz zur Personalisierung geht die Preisdiskriminierung zumeist mit monetären Nachteilen für den Kunden einher.

Personenbezogene Daten können von Unternehmen zudem genutzt werden, um das Verhalten ihrer Mitarbeiter zu steuern. Dies wird in einem dritten, relativ neuen Themenfeld, aufgegriffen. Beispielsweise kann Software zur Überwachung in Unternehmen die Produktivität, das Arbeitsverhalten oder die Bewegungsmuster von Mitarbeitern verfolgen. Unabhängig von der rechtlichen Betrachtungsweise von Überwachung am Arbeitsplatz ergeben sich ökonomische Fragestellungen bezüglich der Privatheit der Mitarbeiter. Literatur in dem unternehmensinternen Kontext beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Überwachung auf das Unternehmen und auf dessen Mitarbeiter. So untersuchen Connolly und McParland welchen Einfluss digitale Technologien am Arbeitsplatz auf die Privatheitsbedenken von Arbeitnehmern haben. Des Weiteren beschäftigt sich Literatur zur Privatheit von Jobbewerbern insbesondere mit der Diskriminierung von Bewerbern. In diesem Teilaspekt geht es darum, dass Arbeitgeber auf unterschiedlichen Wegen Zugang zu Informationen von Bewerbern haben, da diese ihre Daten in sozialen Netzwerken teilen. Demnach können im Rahmen der Bewerberauswahl künftige Arbeitgeber gezielt nach Informationen von Bewerbern suchen und diese auswerten. Der öffentliche Zugang zu privaten Informationen wie täglichen Aktivitäten oder privaten Interessen wird durch soziale Netzwerke gefördert.

Jenseits von der unternehmensinternen Nutzung von Daten können Unternehmen von personenbezogenen Daten profitieren, wenn sie diese an Dritte weiterverkaufen. Der vierte ebenfalls noch recht kleine Literaturstrang beschäftigt sich daher mit der ökonomischen Verwertung von Konsumentendaten, die auf internetbasierten Plattformen gesammelt werden. Plattformen können die von ihnen gesammelten Daten an Werbetreibende oder an Datenintermediäre verkaufen, die die Daten anschließend weiterverwerten. Literatur in diesem Bereich beschäftigt sich häufig mit der sekundären Nutzung von personenbezogenen Daten, wenn Informationen von Unternehmen an Drittanbieter oder Datenhändler weitergegeben werden. Hartmann et al. untersuchen Geschäftsmodelle von Startups, die sich auf personenbezogene Daten als Schlüsselressource spezialisieren. Die Hauptaktivität dieser Unternehmen besteht in der Aggregation, Analyse oder Generierung von Daten aus unterschiedlichen Quellen. Welchen Herausforderungen Unternehmen beim Datenhandel gegenüberstehen und welche unternehmensinternen Voraussetzungen sie treffen sollten, wird von Wixom und Ross beschrieben.

CC BY

Hess, T., Matt, C., Thürmel, V., Teebken, M. (2022). Zum Zusammenspiel zwischen Unternehmen und Verbrauchern in der Datenökonomie. In: Roßnagel, A., Friedewald, M. (eds) Die Zukunft von Privatheit und Selbstbestimmung. DuD-Fachbeiträge. Springer Vieweg, Wiesbaden.

https://doi.org/10.1007/978-3-658-35263-9_3

Zur einfacheren Lesbarkeit wurden die Quellenverweise und Fussnoten entfernt.


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